Yacht & Regatta Fotografie

Last modified date

by S. Hese 28.12.2019

Textfassung des Vortrages vom 2.2.2019 beim Wintertreffen des FKY in Hamburg

Die Regatta- und Yachtfotografie stellt sicher einen Spezialbereich der Fotografie dar, vielleicht angesiedelt in einem Schnittmengenbereich der Sport- und Naturfotografie. Die große Herausforderung stellt dabei die Abhängigkeit von den Wetter- bzw. Licht- und Windbedingungen dar. Kaum eine Sportart ist derartig abhängig von den externen Bedingungen. Die hoch variablen Zustände von Wetter und Licht und die Verbindung mit der handwerklichen Ästhetik klassischer Yachten machen den besonderen fotografischen Reiz der Klassikerregatten und der klassischen Yachtfotografie an sich aus. Hier kommt auf einzigartige Weise die Ästhetik von Holzmaterialen mit der Fertigungsqualität im Bootsbau, der Struktur von Maserungen und natürlich der Schönheit des Segelns zusammen.

Equipment:

Wie bei allen Domains in der Sportfotografie spielt das Equipment eine gewisse Rolle. Jedoch gilt wie so oft: das Bild entsteht zwischen den Ohren und nicht in der Kamera – allerdings können schnelle Kameras, gute Objektive und ein fixer Autofocus durchaus den Unterschied für ein Bild machen. Praktisch alle modernen digitalen Kameras mit Vollformatsensor können rauscharme Bilder auch bei hohen ISO-Werte aufnehmen, dadurch sind unter auch sehr schwierigen Lichtbedingungen noch technisch perfekte Bilder mit sehr kurzen Belichtungszeiten möglich. Ich arbeite eigentlich ausschliesslich mit Nikon Equipment, aber im Prinzip sind alle größeren Systeme hier sinnvoll nutzbar. Wer jedoch ernsthaft in die Fotografie einsteigen will, der sollte sich für einen der großen Systemhersteller entscheiden (Nikon/Canon/Sony – mit Abstrichen kann man auch sicher Oly oder Pentax empfehlen). Es spielt hier auch eine Rolle wie gut der Service eines Herstellers ist, welche Rent-Geräte es bei großen Verleihen gibt und wie groß der Gebrauchtmarkt z.B. für seltenes Zubehör ist. Tilt/Shift Optiken und sehr lichtstarke Sportteles werden nicht von jedem der Hersteller angeboten, daher ist ein Blick auf die Vollständigkeit der Systeme durchaus interessant. Für Segelregatten und Yachtfotografie nutze ich inzwischen ein breites Repertoire von Optiken von 14mm bis 400mm, Tauchergehäuse, DJI Drohnen, Tilt/Shift Optiken und verschiedene Neutralgraufilter. Für eine gute Bildqualität sind prinzipiell die Objektive entscheidend, daher sollte man immer eher in gute Optiken investieren, die man sehr viel länger nutzen kann und die Kameragehäuse schlicht öfter austauschen. Neben wasserdichten Pelicase Koffern kommen auch auf die Objektive zugeschnittene wasserdichte sog. “Sports Shields” idR von Aquatech zum Einsatz. So ist auch bei viel Spray oder Dauerregen ein Einsatz möglich. Zum Fotoequipment kommt die übliche Sicherheitsausrüstung auf dem Wasser, viel Sonnencreme! und Müsli-Riegel jeder Art plus Wasser dazu. Auf der Ostsee ist außerdem eine NaviApp auf dem iPhone sehr nützlich oder eine Seekarte mit eigenen Skizzen. Ansonsten hab ich hin und wieder auch eine Shot-list mit Yachtname und Segelnummern dabei, um bestimmte Yachten abzufangen. Für umfangreiches Equipment sollte man eine Versicherung abschließen – das beruhigt, wenn die Bedingungen grenzwertig werden (Regen/Welle).

Waiting for the start – Classic Week 2019 – vor Schleimünde.

Bildkonzepte

Bei den Regatten gibt es verschiedene Bildkonzepte, die immer wieder als Basis für Variationen gut funktionieren. „Crossing“-Konzepte , Gegenlichtbilder in der Totalreflexion, gegenläufige Mitzieher, Copter-Bilder in den Schlagschatten der Riggs hinein, starke Weitwinkelaufnahmen in die Sonne, und Spiegelungen bei windarmen Bedingungen. Dazu kommen noch einige spezielle technische Lösungen, die einem neue Möglichkeiten erschließen, so z.B. Bilder aus dem Tauchergehäuse an der Stabverlängerung. Hier entstehen oft extreme Blickwinkel mit energetischen diagonalen Linien. Auch spezielle Stacking-Techniken für die Aufnahme von Zeitserien in Manövern können sehr interessante Bildkonzepte erzeugen. Im Prinzip fängt die Planung des Bildes oft schon vor dem Regatta-Event an. Für Regattashootings hat sich auch eine skizzenartige schriftliche Planung einzelner Bildideen (Shot-Liste) auf einer Kartenvorlage bewährt, um etwas strukturierter vorgehen zu können. Bei größeren Events hilft das, den Überblick zu behalten.

Bokehball Party im 300mm Tele

Weitwinkelbilder werden schon entsprechend der späteren geplanten Bildbearbeitung z.B. unterbelichtet oder überbelichtet oder als Serie geschossen, um spezifische Bereiche später gezielt aufhellen zu können oder um Elemente zu kombinieren. Man kann auch kreativ mit unterschiedlich fokussierten Doppelbelichtungen experimentieren – jedoch besteht hier immer die Gefahr in der allgemeinen Action zu übersehen, dass man die Kamera-Settings wieder zurückstellen muss. I.d.R. mache ich Overlays und Stacks in der Nachbearbeitung auf Basis der Raw Dateien. In der Praxis sind insbesondere Regatten auf dem Meer erheblich komplexer zu fotografieren, da hier je nach den äußeren Bedingungen viel Aufmerksamkeit auf einen sicheren Stand und guten Schutz des Equipments geht.

Crossings

Bei den „Crossings“ versucht man (i.d.R. nach dem Start, wenn alle Yachten noch dicht zusammen sind) die Rigg-Überlappung von der exakt Winkelhalbierenden des AmWindkurses aus zu fotografieren. Hierbei wählt man eine Yacht als Kandidaten für ein „Crossing“ aus und fährt dann den AmWindKurs parallel versetzt mit, bis eine Rigg-Überlappung mit einer anderen Yacht entsteht. Hier ist etwas Überblick und vorausschauende Planung im Startchaos nötig, aber gerade mit größeren Yachten sind diese Bilder gut planbar, da diese Yachten nicht sehr spontan und nicht oft wenden vor der Luvtonne.

Crossing der 12mR bei den German Classics im 400mm Tele.

Die entstehenden Bilder sind immer eindrucksvoll, wenn bei viel Wind die Decks unterschneiden und eine starke Krängung sehr dynamische diagonale Strukturen erzeugt. Da man sich hinter dem Feld aufhält, muss man oft andere Motive in diesem Zeitraum abschreiben. Ein Dilemma, dass bei Regattaevents immer wieder auftaucht: man kann nicht überall gleichzeitig sein. Zeitlich aufwändige Bildideen vom Copter sind daher immer nur bei sehr großen Events sinnvoll.

Erheblich verkompliziert wird dies noch, wenn verschiedene Gruppen oder Klassen auf unterschiedlichen Bahnen gleichzeitig starten.

Gegenlichtbilder können graphisch faszinierende Bokehball-Strukturen bilden, wenn man sich an der richtigen Stelle in Relation zur Totalreflektion auf dem Wasser befindet. Schaut man sich eine bewegte Wasseroberfläche bei direkter Sonneneinstrahlung an, so gibt es immer einen Bereich des sog. „sun glint“, in dem eine Totalreflektion an der Wasseroberfläche stattfindet. Verschiebt man seine Position in der Art, dass die Totalreflektion in den Bereich einer Yacht wandert, so kann man mit sehr lichtstarken Teleobjektiven einen graphisch ansprechenden „Bokeh-Ball-Cluster“ erzeugen. Kombiniert mit Wellengang sind sehr starke Kompositionen möglich. Hier muss man allerdings sehr fix reagieren können, da dies oft kurzlebige Sujets sind, da ja alles in Bewegung ist.

Mitzieher

Mitzieher auf dem Wasser stellen sicher das technisch komplizierteste Unterfangen bei der Aufnahme von Regattafotos dar. Beim Mitzieher wird die Yacht durch eine lange Belichtung durch „mitziehen“ scharf gehalten, während der Hintergrund stark verschwommen dargestellt wird. Dies geschieht durch den Einsatz eines starken Neutralgrau- Filters. Durch die vertikale Eigenbewegung auf dem Wasser sind Mitzieher vom Motorboot aus i.d.R. nur schwer möglich. Man kann allerdings durch gegenläufige Geschwindigkeit Mitzieher vereinfachen (die relative Geschwindigkeit der Yacht erhöht sich), auch der Bildstabilisator von mittleren Telebrennweiten kann hier eine Hilfe sein. Die beeindruckendsten Mitzieher entstehen jedoch mit stärkeren Weitwinkelobjektiven und sehr geringer Aufnahmedistanz. Hier braucht es auch jemanden Couragiertes am Ruder, da man sich mit hoher Geschwindigkeit dicht an den Yachten vorbei bewegt.

Imoca “Einstein” beim Welcome Race der KiWo 2019 in der Kieler Förde – Orbit Mitzieher mit Nikkor 24-70 mm AFS f2.8.

Splitlevel Fotografie

Aufnahmen aus dem Tauchergehäuse heraus sind aufgrund der fehlenden Motivkontrolle  anspruchsvoll. Oft werden diese Bilder mit einer Stabverlängerung fernausgelöst. Was die Kamera aufnimmt ist nur durch viel Erfahrung abschätzbar. Man bekommt aber mit der Zeit ein Gefühl für den Öffnungswinkel, den die Optik abdeckt und auch für das nötige Timing der Aufnahmen. Besonders interessant sind die Aufnahmen mit Tauchergehäuse aus der Wasserebene bei klarem Wasser. Hier lassen sich neben den typischen Splitlevel-Aufnahmen mit Abbildung des Lateralplans auch sehr gut Spiegelungen bei Flautenregatten aufnehmen.

Split level shot created with the Aquatech Elite D810 housing setup.

Spiegelungen auf dem Wasser sind vor allem bei Schwachwindbedingungen sehr lohnende Motive. Wichtige Voraussetzung bei Fotos von Spiegelungen mit Weitwinkelobjektiven ist sehr vorsichtiges Heranfahren mit dem Motorboot. Oft ruiniert die eigene Bugwelle die Spiegelung, hier ist ganz genaues Studieren der Wasseroberfläche nötig.

Prosit IV des ASV in Berlin bei der Havel Klassik.

Hin und wieder ist es auch sinnvoll, sich einfach treiben zu lassen und die Segler auf sich zufahren zu lassen. Sehr kurze Belichtungszeiten und stärkeres Abblenden sind wichtige Voraussetzungen für ein gelungenes Weitwinkelbild von Spiegelungen, da auch leichte Wasserbewegungen sehr schnelle Änderungen der Farbstrukturen und Texturen zur Folge haben. Insgesamt bietet die Yacht- und Regattafotografie eine enorme Breite an Motiven, für viele Motivideen ist jedoch geringer Abstand zu den Yachten in Fahrt nötig und eine gewisse Abstrahierungsfähigkeit sehr hilfreich. Das lässt sich i.d.R. nur mit einem eingespielten Team machen und Leuten am Steuer, die auch selber segeln und viele Manöver beim Segeln instinktiv richtig verstehen und voraussehen können.

Quadro-Copter Fotografie

Neue technische Möglichkeiten der Fotografie vom (Quadro)Copter aus werden sicher wieder neue starke Motivideen generieren. Inzwischen lassen sich Quadrocopter problemlos vom Wasser aus starten und fangen. Nach wie vor herausfordernd ist jedoch die Prävisualisierung eines Motivs vom Copter aus – hier entstehen Ideen nicht selten während eine Fluges, wenn man die Oberflächenstruktur des Wassers gesehen hat und man wirft dann einfach den ursprünglichen Plan über den Haufen und probiert spontan eine andere Bildidee aus. Im Vergleich zu Helikopterbildflügen ist man erheblich flexibler, was den Einsatzort betrifft, allerdings sind Copterflüge immer noch begrenzt in Bezug auf die nutzbaren Brennweiten.

Edelholz Regatta des VSaW in Berlin – Shot von einem Quadrocopter aus und stacked im Post.

Starke Teleobjektive sind aufgrund von Gewicht und Größe immer noch nur aus dem Heli einsetzbar.

RAW Bildbearbeitung

Die Bilder sollten möglichst im RAW Format aufgenommen werden und in einem guten RAW Editor wie z.B. „Capture One“ oder „Lightroom“ editiert werden. Der große Vorteil der Raw Bilddatenbearbeitung ist die erheblich höherer radiometrische Auflösung bzw “Dynamic Range” der Bilder. Es stehen in Raw Bildern sehr viel mehr Grauwerte für jeden Farbkanal zur Verfügung. Das macht einen großen Unterschied, wenn man Schatten aufhellen möchte oder den Mikrokontrast erhöhen will. Es ergeben sich einfach in der Nachbearbeitung der Bilder mehr Möglichkeiten die speziellen Eigenschaften einer Bildkomposition herauszuarbeiten ohne das es zu einem Tonwertabriss kommt. Lightroom und Capture One sind sicher die derzeit besten Raw Editoren. Hier lassen sich lokale Edits durchführen , chromatische Aberrationen von Objektiven korrigieren, gute HDR Bilder rechnen (LR/PS) oder auch Panoramen rechnen (LR/PS). Außerdem können auch gut kleinere Retouche-Arbeiten durchgeführt werden und die Bilder für eine Weiterbearbeitung in Photoshop vorbereitet werden. Für die Datenarchivierung können die verschiedenen Events auch verschlagwortet werden. Eine sehr gute Open Source Lösung ist Darktable.

Eventshootings

Der technische Aufwand für vielseitige Regattafotografie hat sich enorm verändert in den letzten Jahren. Durch die unterschiedlichen Perspektiven und die zunehmende Forderung nach Filmmaterial und Slow-Motion Aufnahmen während eines Bilder-Shootings wird sich schätzungsweise in Zukunft auch ein aufwändiger kombinierter Einsatz von Bild- und Filmkameras durchsetzen.

Zeit Aufwand für ein Fotoshooting zu den German Classcis (2018) – auf dem Wasser, mit C/C und Vorbereitungen der jeweiligen Wassershootings, mit zusätzlichen on-location Slideshow und Datenbackup am Abend, zusätzlich mit dem vollständigen Datenpostprocessing für eine Ready-to-Sell online Bildergalerie.

Im Gegensatz zu Filmaufnahmen vom Copter aus müssen Filmaufnahmen mit Teleobjektiven vom Motorboot aus technisch sehr kostspielig mechanisch stabilisiert werden (elektronische Stabilisierung oder Sensorstabilisierung ist hier nicht ausreichend). Dies reduziert derzeit noch den Einsatz auf gut bezahlte kommerzielle Shootings und verhindert die Nutzung auf „On-Speculation-Shootings“ (bei denen man ohne Auftrag fotografiert). Die technischen Möglichkeiten ändern sich aber derzeit so schnell, dass kostengünstigere Lösungen schätzungsweise bald auch für größere Objektive verfügbar sind.

Fotos: Sören Hese – www.sailpower.de

Dieser Text ist leicht modifiziert im KLASSIKER des FKY in 2019 erschienen und kann auch als Artikel mit anderen Abbildungen hier herunter geladen werden. Inhalte basieren z.gr. Teil auf einem Vortrag von S. Hese zum Wintertreffen des FKY in Hamburg vom 2.2.2019 – PDF Download.

Titel von Voile&Voiliers mit dem Siegerfoto des Mirabaud Yacht Racing Shots von 2017 (Stack).

Bildbeispiele:

Heti 12mR
Classic Week 2019 – Schleimünde Race – klein vers. groß & dunkel.